Zu seinem 25-jährigen Ring-Jubiläum führten wir ein Interview mit Chris „Bambikiller“ Raaber. Dabei sprachen wir über seine frühen Anfänge, seine Geschichten in Sachen Wrestling-Tourneen weltweit, seinen kurzen WWE-Aufenthalt, über die POW, über seinen Landsmann Walter (Gunther) und noch einiges mehr.
Nachfolgend das Interview:
Power Wrestling: Hallo Chris, erst einmal bedanke ich mich bei dir, dass du dir die Zeit für ein Interview genommen hast.
Chris Raaber: Zuerst, vielen Dank für deine Anfrage, pünktlich zu einem Vierteljahrhundert „BambiKiller“!
PW: Ja, und dann legen wir auch direkt los. In diesem Jahr hast du im vergangenen Mai dein 25-Jähriges In-Ring Jubiläum gefeiert. Dazu gratuliere ich dir erst einmal. Wie war das damals für dich, in Deutschland in Hannover im Jahr 1998 für Independent Wrestling World in den Ring zu steigen?
Chris: Um deine Frage zu beantworten, ich begann bereits mit 15 Jahren Catchen oder Pro-Wrestling zu trainieren. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich etwas über ein Jahr lang in Wien trainiert und das von einem der Besten (in und außerhalb des Ringes), Michael Kovac. Er war es dann auch, der mir mein Debüt bei der IWW in Hannover verschafft hat. Ich war natürlich wahnsinnig nervös und als ich als „BambiKiller“ durch den Ringsprecher angekündigt wurde, lachte die ganze Halle. Am liebsten wäre ich die Wendeltreppe, die zur Halle führte wieder zurück in die Garderobe gegangen, Gott sei Dank, habe ich das nicht (lacht).
PW: Wie kam es dazu, dass du Wrestler werden wolltest?
Chris: Ich habe schon in sehr jungen Jahren (so mit 6 oder 7) vom Catchen rund um „Big“ Otto Wanz (der in weiterer Folge mein Mentor und sehr guter Freund wurde) und der CWA mitbekommen. Ich habe diverse Kämpfe im Lokalfernsehen gesehen bzw. hatte ich das Glück, dass die Tochter des Besitzers des Lokalfernsehens mit mir in die selbe Klasse ging und sie mir Videokassetten organisiert hat. Als ich dann auch noch Programmhefte bekommen habe, wusste ich – das ist was ich werden will! Kurz darauf habe ich dann auch noch die NWA auf RTL (Catch-up) und WWF auf Tele5 mitbekommen und dann war der Wille noch größer!

PW: Wie du bereits erwähntest, wurdest du unter anderem von Michael Kovac in Österreich trainiert. Kannst du dich noch an dein erstes Training erinnern? Wie war es, und wie kam der Kontakt zu Kovac zustande?
Chris: Natürlich kann ich das! Ich habe Kovac im Juni 96 kennengelernt – das war sein quasi erstes richtiges Profijahr bei der CWA. Er hatte davor schon Erfahrungen bei Turnieren in Österreich gesammelt, aber für Big Otto zu arbeiten war sicherlich der finale Einstieg zu den Profis. Ich habe ihn relativ früh angesprochen und gefragt ob er mich nicht trainieren könnte, wie gesagt, ich war erst 15 Jahre alt und wenn du Kovac heute fragst, wird er dir sagen, dass ich ihn darauf gebracht habe, junge Talente zu trainieren. Wir haben dann Nummern ausgetauscht und er versprach mir, sich nach der CWA-Saison zu melden, diese ging bis Ende Dezember und im Januar rief er mich dann auch schon an. Das Training fand dann in Wien statt, in einem Turnsaal auf Matten. Nach ein paar Monaten wurde ein Ring organisiert, wo wir jedes Wochenende geschliffen wurden.
PW: Na das hört sich doch gut an. Wenn du auf deine lange Karriere zurückblickst, was waren so deine Karriere-Höhepunkte?
Chris: In 25 Jahren sind da schon einige zusammengekommen. Ich bin in der glücklichen Lage sagen zu können, wirklich viele Länder bereist zu haben und eigentlich auch immer in den wichtigsten Kämpfen gestanden zu haben. Zum Beispiel gab es ein großes Turnier in Katar für QPW, das über mehrere Tage ging und einen tollen Kader hatte. Die Besten aus Europa, aber auch namhafte US Stars wie Mable / Big Daddy, Carlito, Chris Masters oder Bobby Lashley, letzteren pinnte ich dann im Finale und wurde der erste QPW World Heavyweight Champion und hielt den Titel so um ca. 1400 Tage. Aber auch spannende Reisen nach Afrika, z.B. nach Lagos in Nigeria. Hier sollte ich eigentlich „nur“ den EWA Weltmeistertitel verteidigen, was ich auch tat. Da aber einer im zeitgleichen WM-Turnier verletzt ausfiel, wurde ich gefragt, ob ich nicht auch in diesem Turnier sein könnte. Das wollte ich klarer Weise und gewann im Finale gegen den Lokalmatador, ich glaub er hieß „Strongbone“, ein richtiger Hüne, über zwei Meter groß, 130kg schwer und eine wirkliche Erscheinung! Ich habe eigentlich erwartet, dass die komplette Arena auf seiner Seite stehen würde und verlange Polizeischutz, weiter war mir klar, dass wenn er gewinnt, Strongbone für sich und seine Familie ausgesorgt hätte. Es waren alle möglichen Politiker, wie z.B. der Sportminister Nigerias oder auch die traditionelle Königsfamilie anwesend. Wie auch immer, ich gewann das Match, sicherte mir den WM-Turniersieg und wurde dann vom „Obi“, also dem traditionellen König in die Königsfamilie aufgenommen und bis seit diesem Tag offiziell High Chief vom Staate Lagos. Auch nicht schlecht (lacht). Aber es gibt natürlich viele ähnliche Erfolge – WM Siege in Japan, Kuwait, Dubai, Kolumbien, Ecuador, Kamerun, etc. aber auch in meiner Heimat sind immer wieder Dinge an die ich mich zufrieden zurück erinnere. Eines sticht aber nach wie vor für mich heraus und das war der Catch-Weltcup Sieg zum 50. Jubiläum am traditionellen Schützenplatz organsiert von Power of Wrestling (POW), das war schon was besonderes!
PW: Da hast du wirklich schon allerhand Sachen in deiner Karriere erlebt. Wie man hört, bist du ja so gut wie auf der ganzen Welt angetreten. Wo war es am schönsten, und erzähl gerne mal eine lustige Anekdote von einem Event?
Chris: Am schönsten ist sehr schwer zu beantworten. Ich liebe Japan – die Kultur, das Essen, der Umgang miteinander und die harten Schlachten im Ring. Aber wie gesagt, die arabischen Länder wie Katar, Dubai, Kuwait, Libanon etc. haben auch was ganz besonders. Ich war auch für eine zweiwöchige Tour im Indischen Ozean gebucht, auf der kleinen Insel „La Reunion“, das war natürlich bezahlter Urlaub und täglich 5000-6000 Zuschauer. Indien oder Pakistan ist auch großartiger, in Indien hatten wir bis zu 80.000 Zuschauer, der kleinste Event mit 30.000, das hat man auch nicht alle Tage. In Südamerika hat es mir auch richtig gefallen, besonders in Kolumbien, da konnte ich Michael Kovac auch mal für eine Tour buchen und ich glaube es hat ihm da auch richtig gut gefallen, zumindest hat er sich minütlich neu verliebt (lacht).
PW: Zu Beginn deiner Karriere bist du für Deutsche Ligen wie GWF, ACW und wXw angetreten. Bei wXw hattest du nur einige Matches. warum kamen keine weiteren Bookings zustande?
Chris: Ganz ehrlich, das kann ich dir nicht beantworten, weil ich mich nicht erinnern kann. Es ist schon wahnsinnig lange her und die wXw von damals, kann man nicht mit heute vergleichen. Mir hat es aber wirklich Spaß gemacht für all diese Ligen anzutreten, ganz besonders für die GWF! Da haben sich wirkliche Freundschaften entwickelt, besonders mit Ahmed, Mike, Vesna usw. Ganz, ganz tolle Menschen!

PW: Erzähle uns mal etwas über deine Zeit in Japan. Du warst unter anderem für die beiden Topligen Zero One und All Japan Pro Wrestling einige Jahre aktiv. Wie kam es zu den Bookings, und hat dein Japan-Aufenthalt deinen Wrestling-Stil damals beeinflusst. Japan steht ja nicht nur für technisches Wrestling, sondern es geht ja auch im Ring härter zur Sache.
Chris: Ja absolut! Der japanische Stil hat mich immer beeindruckt, ich schaue mir heute noch fast täglich Kämpfe der 80er und 90er an und bin begeistert! 2005 kam „Mr. Go“ zu einem Turnier in Bremen als Gast und buchte mich direkt für seine Firma „WrestleAid Project“. Ich hatte also mein Debut in der berühmten Korakuen Hall in Tokio. Leider brach ich mir den linken Knöchel und riss mir auch noch die Bänder. Eine richtig schmerzhafte Sache, aber ich kämpfte weiter und hab nicht aufgehört meinem Gegner Paroli zu bieten. Kurz nach dem Kampf kam ein Mann in die Umkleide und gratulierte mir zum Kampf, er fragte mich, wie es meinem Knöchel ging und ich war gerade dabei meinen Stiefel und Socken auszuziehen. Ich meinte, dass alles OK sei, er sah meinen Knöchel, der ungelogen angeschwollen war, wie eine Honigmelone und meinte „good fighting spirit!“ stellte sich als Boss von Zero-One vor, gab mir seine Visitenkarte und meinte, wenn ich wieder fit sei, stehen die Tür offen. Tja kurz später war ich dann für Zero-One in Japan auf Tour. Lustige Anekdote, Walter (Gunter) schloss irgendwann seine Ausbildung ab und wünschte sich in Japan trainieren zu können. Ich habe dann mit dem Office gesprochen und eigentlich sollte er nur 3 Monate im Dojo leben und trainieren. Das Zero-One Office fragte mich, ob sie ihn auch einsetzen könnten und nach kurzer Rücksprache mit Walter, hatte er dann seine ersten Auftritte für Zero-One – er war halt damals schon sehr sehr gut! Der Kontakt mit All Japan kam etwas anders zu Stande. 2009 unterschrieb ich einen Vertrag bei WWE und als ich mich entschieden habe nach Europa zurück zu kehren, kamen etliche Booking Anfragen so z.B. aus Frankreich für eine mehrwöchige Tour quer durchs Land. Der Kader war top, Scott Steiner, Booker T, einige weitere frühere WWE/WCW Stars, etliche Top-Stars aus Europa, aber auch 1, 2 Newcomer von AJPW. Tja und da man halt nicht nur im Hotel, Tourbus oder in der Halle zusammen abhängt, sondern auch außerhalb Zeit verbringt, kam der Booker von AJPW sehr schnell auf mich zu und buchte mich direkt für eine Tour nach Taiwan, diese absolviert wurde mir direkt ein Tourplan für das komplette Jahr vorgelegt und das ging für mehrere Jahre so weiter. Leider brach der japanische Markt irgendwann ein, was besonders auch AJPW traf.

PW: Du hattest bei WWE im Frühjahr 2009 einen Vertrag erhalten, und wurdest dort bei der ehemaligen Entwicklungsliga Florida Championship Wrestling (FCW) eingesetzt. Du hattest dort einige Matches gegen die damaligen noch jungen Talente wie Drew McIntyre, Sheamus, Bo Dallas, Fandango, Trent Beretta, Lance Archer, Doc Gallows, Tyson Kidd, Davey Boy Smith Jr., Heath Slater, Justin Gabriel und wie sie alle heißen. Dein Aufenthalt in den USA ging aber nur über diesen einen Sommer. Warum haben sich die Wege so schnell wieder getrennt?
Chris: Naja das ist eigentlich relativ schnell erklärt. Mir wurde beim Vertragsangebot nach meinem Tryout in England sehr viel versprochen und das wurde aus meiner Sicht nicht eingehalten. Ich habe mit WWE einen Vertrag über 3 Jahre unterschrieben und war absolut motiviert. Ich wollte 7 Tage die Woche arbeiten, alles geben und glaubte auch daran. Irgendwann habe ich halt realisiert, dass ich nur eine Nummer war und ich muss eingestehen, dass ich auch die Lust verloren hatte und ich wollte nur mehr zurück nach Europa und meine Tourneen machen. Als ich dann Bescheid gab, dass ich zurück wollte wurde das auch akzeptiert, aber eigentlich sollte ich nur ein Jahr zurück nach Europa, die ganzen Tourneen machen und danach wieder nach Florida. Ich weiß noch, als ich am Gate saß vor meinem Rückflug nach Österreich, schrieb ich John Laurinaitis eine SMS und bedankte mich für die Erfahrung, er rief mich direkt an und sein letzter Satz war: „du kommst aber wieder, richtig?“. Ich glaub das geht nicht mehr raus.
PW: Machen wir mal weiter mit einem anderen Thema. Du bist selbst Promoter, veranstaltest seit 2003 selbst Events. Für welche Ligen hast du bislang als Promoter bzw. Booker fungiert?
Chris: Richtig! Ach das ist schwer zu beantworten, ich helfe eigentlich seit 1999 beim buchen von Talenten und das weltweit (Japan Mittlerer Osten, Afrika, Südamerika, Asien, klar auch Europa). Mir war auch immer wichtig zu sagen, dass ich keine % der Gagen möchte, sondern einfach „return of the favor“, also ich helfe dir, du hilfst mir (wenn du eben kannst). Das hat immer gut funktioniert. Aber um deine Frage zu beantworten, seit Tony St. Clair und Mike Ritter sich entschieden haben, nicht mehr aktiv bei POW Veranstaltungen zu buchen, schlug mich Tony vor und Jörg Vespermann sprach mich dann auch direkt an. Wenn ich mich richtig erinnere, übernahmen Martin Nolte und ich danach das Booking und Martin wollte dann aus familiären Gründen kürzertreten bzw. legte sein „Amt“ nieder.
PW: Wo wir gerade über POW sprechen. Du bist seit dem 01. Juni 2019 amtierender POW World Heavyweight Champion hier in Deutschland. Das ist eine lange Zeit. Auch hier gilt, Corona bedingt konnten keine Events stattfinden. Wie findest du die POW, und generell das Catchen in Deutschland, z.B. auf dem legendären Schützenplatz in Hannover?
Chris: Klar Corona hat über ca. 2 Jahre die Veranstaltungsszene schwer getroffen. Jörg Vespermann, der Chef von POW ist nicht nur ein sehr professioneller und erfolgreiche Geschäftsmann, sondern auch ein ehrlicher Kerl. Allen voran ist er aber auch seit Kindheit an ein riesiger Catch-Fan und um ehrlich zu sein, ohne Jörg gäbe es einen großen Teil der Catch-Szene nicht. POW ist aufgebaut auf einem tollen Team und damit meine ich gerade nicht die Wrestler, sondern besonders die, die du während einer Veranstaltung nur am Rande siehst, die Andreas, Mikes, Marios, Torstens, Andys, Martins und und und. In diesem Produkt steckt soviel Herzblut und ich bin froh, dass wir es immer wieder schaffen super Veranstaltungen zu präsentieren!
PW: Du verfolgst ganz sicher den Werdegang deines Landsmannes Gunther (fka WALTER). Wie findest du seinen aktuellen WWE Run, und vor allen Dingen seine körperliche Transformation? Er hat ja einige Kilos abgespeckt.
Chris: Ja klar tue ich das. Wir stehen auch regelmäßig im Kontakt. Vor zig Jahren wurde ich interviewt und gefragt, wer der beste Wrestler in Europa ist und meine Antwort war Walter. Sein Erfolg gibt ihm einfach recht und da kann er einfach stolz drauf sein, Punkt! Um ehrlich zu sein, gefiel mir der etwas speckige Walter/Gunter optisch etwas besser, aber für das TV-Produkt haut das schon hin, so oder so ist er ein Brecher.
PW: Wie findest du generell die Deutsche Wrestlingszene im Vergleich zu Österreich? Gibt es da Unterschiede?
Chris: Ich mag beides. In Österreich gibt es weniger Events, dafür mit deutlich höheren Zuschauerzahlen. In Deutschland eben mehr Veranstaltungen, aber auch hier hat sich qualitativ viel getan, vor allem in den letzten 25 Jahren.
PW: So, dann kommen wir auch mal zur letzten Frage. Wie lange hast du noch vor, selbst in den Ring zu steigen, und wirst du dem Wrestling nach deiner aktiven Laufbahn weiterhin erhalten bleiben, in Form einer eigenen Liga, als Trainer etc.
Chris: Ich bin jetzt 41 Jahre alt, mit 25 Jahren Wrestling in den Knochen. Ganz ehrlich, solange der Körper mitmacht und mich die Zuschauer sehen wollen, werde ich auch weiterhin die Welt bereisen! Sollte ich irgendwann zurücktreten, dann bleibe ich definitiv hinter der Bühne involviert. Meine Wrestlingschule (Catch-Wrestling Dojo , zu finden auch auf Instagram) feiert dieses Jahr auch ihr 15 jähriges Jubiläum und da haben es einige auch schon nach Afrika, Japan, Dubai, Kuwait etc. geschafft. Weiter habe ich mir gerade einen neuen Ring gekauft, der will auch bei Veranstaltungen genutzt werden.
PW: Dann bedanke ich mich nochmal bei dir für das Interview, und wünsche dir für die Zukunft alles Gute.
Chris: Vielen Dank für das Interview, hat mich sehr gefreut!
Das Interview führte Martin Mahony
Foto-Quelle: EWA (c) Pinterest,at (c)
Das Interview erschien in der Juni 2023 Ausgabe des PW-Magazins




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