Wir führten ein Interview mit dem Owner der German Wrestling Federation – Ahmed Chaer. Dabei kamen wir über die Anfänge zu sprechen, wie die beiden Chaer Brüder auf die Idee kamen, eine Wrestling-Schule zu gründen, Events zu veranstalten, wir sprachen über WWE Tryouts, starke Gegner in seiner Indy-Zeit, über aktuelle Top-Talente aus der GWF, Ahmeds Filmprojekte und vieles mehr.
Nachfolgend das Interview:
Power Wrestling: Hey Ahmed, Dankeschön, dass du dir für dieses Interview dir die Zeit genommen hast. Legen wir auch direkt mal los. Dein Vater war bereits im Libanon ein Catcher. Du bist schon seit drei Jahrzehnten aktiv, wie kam es in den 90er Jahren dazu, dass du Wrestler werden bzw. eine eigene Liga mit deinem Bruder auf die Beine stellen wolltest? War es auf Grund deines Vaters, oder weil du Wrestling im Deutschen TV gesehen hattest?
Ahmed Chaer: In Wahrheit waren es die Filme von Bud Spencer und Terence Hill, die meinen Bruder und mich fasziniert haben. Mike steckte sich immer ein Kissen unter das T-Shirt und schlüpfte in die Rolle von Bud Spencer, während ich Terence Hill mimte. Dann haben wir uns geprügelt. Eines Tages sah unser Vater Wrestling im Fernsehen, und uns fiel auf, wie ähnlich diese Welt der unserer Lieblingsfilme war: übergroße Charaktere und atemberaubende, spektakuläre Kämpfe. Ab diesem Moment verwandelten wir uns in Bastion Booger und Shawn Michaels, später auch in Bam Bam Bigelow, Bret Hart und viele andere. Dass unser Vater in seiner Jugend im Libanon gewrestelt hatte, erfuhren wir erst, als wir selbst Wrestler werden wollten. Er warnte uns gleich zu Beginn, dass der Weg schwierig und das Wrestling-Business in gewisser Weise undankbar sei. Dennoch waren wir entschlossen, unseren Traum zu verwirklichen.

PW: Lustig, dass ihr vorher nicht wusstet, dass euer Vater Catcher war. Machen wir mal weiter. Wie waren damals die ersten Monate, nachdem ihr die GWF gestartet habt, und wie ging es mit eurer Trainingsschule los?
Ahmed: Als wir 1993 mit dem Wrestling begannen, existierte in Deutschland praktisch keine Wrestling-Szene. Es gab lediglich die CWA, die eher dem traditionellen Catchen zugeordnet war. Um Erfahrung zu sammeln, reisten wir zu jeder Show und halfen beim Aufbau. Als Gegenleistung erhielten wir gelegentlich Trainingseinheiten. Mentoren wie Cannonball Grizzly, Robbie Brookside und Ulf Hermann nahmen sich immer wieder Zeit für uns, ebenso wie Fit Finlay, wenn er anwesend war. Trotz einiger Befürworter durch unser Training, bekamen wir nur selten die Gelegenheit, im Ring zu kämpfen. Hinzu kam, dass wir mit erheblichem Rassismus konfrontiert waren. In den Umkleidekabinen hingen Schilder mit der Aufschrift „Türken und Polen kein Zutritt“. Wir ließen das über uns ergehen, denn unser Ziel war klar: Wir wollten Wrestler werden. Um anderen diesen steinigen Weg zu ersparen, gründeten wir 1997 eine Trainingsschule. Wir wollten jungen Talenten die Möglichkeit geben, Wrestling zu erlernen, ohne sich demütigen lassen zu müssen. Alles, was wir selbst gerade lernten, gaben wir an unsere Schüler weiter. Da es zu unserer Zeit nur wenige Shows gab, entschieden wir uns 1995, eigene Veranstaltungen zu organisieren. Wir buchten Wrestler, die wir auf den Catch-Touren kennengelernt hatten, um von ihnen zu lernen: Ulf Hermann, Michael Kovac, Robbie Brookside und viele mehr. So konnten wir uns stetig weiterentwickeln und präsentieren. Fun-fakt: Der Name GWF entstand tatsächlich, weil Mike, ich und drei weitere Mitgründer des damaligen Vereins, aus der Graefestraße stammten. Ursprünglich stand GWF für Graefe Wrestling Federation. Nach unserer ersten Show vor einem begeisterten Publikum von etwa 15-20 Zuschauern – hauptsächlich Freunde und Verwandte – war uns klar, dass wir größer denken müssen.
PW: Das mit dem Rassismus zu hören, ist nicht gerade toll. Git das ihr euch davon nicht unterkriegen lassen habt. Das mit dem Straßennamen und Graefe Wrestling Federation ist echt lustig. Tolle Anekdoten aus eurer Anfangszeit sozusagen. Kommen wir zur nächste Frage.: Du bist ja nicht nur als Wrestler und Promoter aktiv, sondern auch als Stuntman und Drehbuchautor. Du warst schon in vielen Filmen in kleinen Rollen zu sehen, und hast auch schon produziert. Wie kam es dazu?
Ahmed: Wie bereits erwähnt, war es ursprünglich die Filmwelt, die uns dazu inspirierte, Wrestler zu werden. Diese tiefe Verbundenheit zum Film hat nie nachgelassen. Tatsächlich hatte ich bereits 1992 in zwei Filmen als Kleindarsteller mitgewirkt. Als ich dann zum Wrestling kam, dachte ich: „Das mit dem Film war ja einfach, das kann ich jederzeit wieder machen.“ Aber so einfach war es nicht. Im Jahr 2015 änderte sich das jedoch. Ich erhielt einen Anruf von einer Produktionsfirma, die für RTL eine Serie produzierte. In einer der Folgen sollte eine Schauspielerin eine Wrestlerin darstellen, und so wurden Mike und ich als Trainer engagiert. Wir waren überrascht, wie gut die Bezahlung war und hatten auch noch viel Spaß bei der Arbeit, Win-Win. Aus versicherungstechnischen Gründen war auch ein Stunt-Team vor Ort. Im Gespräch mit ihnen äußerte ich meinen Wunsch, Stuntman zu werden. Der Teamleiter sagte mir, er würde sich melden, wenn eine Gelegenheit käme. Zu meiner Überraschung rief er tatsächlich an und bot mir eine Rolle in einer ARD-Serie an. Von da an ging es Schlag auf Schlag. Ein Projekt führte zum nächsten.
Wie schon zu meinen GWF-Wrestling-Zeiten versuchte ich, nach und nach weitere GWFler ins Filmgeschäft zu bringen. Die Produzenten waren stets dankbar und lobten unsere Professionalität. Im Jahr 2022, während eines Drehs für „Babylon Berlin“, wurde ich, wie so oft, erschossen. Der Dreh hat riesigen Spaß gemacht, und ich bin für jede Erfahrung vor der Kamera dankbar, von „Matrix 4“ bis hin zum „Tatort“-Bösewicht in der Folge „Meta“. Aber ich spürte, dass noch mehr möglich ist. Deshalb habe ich beschlossen, Filmproduzent zu werden. 2021 produzierte ich bereits meinen ersten eigenen Film für den US-Markt, „Erbsünde“, und wenig später wirkte ich als Co-Produzent an einer türkischen Serie, „Sipahi“, mit. Aktuell arbeite ich an zwei Dokumentarprojekten und einem Thriller, für den ich bereits zwei große Namen gewinnen konnte.

PW: Da bin ich mal gespannt. Als Wrestler hattest du deine großen Momente. Unter anderem ein Titelkampf gegen den damaligen Ring of Honor World Champion Samoa Joe im Jahr 2004. Da hatte die damalige GSW (German Stampede Wrestling) eine kleine Zusammenarbeit mit ROH. Zudem bist du unter anderem gegen die damaligen Indy-Perlen Claudio Castagnoli, Bryan Danielson oder den damaligen japanischen Top Star Mitsuhari Misawa angetreten. Wieso hat es nicht für eine größere Karriere mit dir z.B. in den USA geklappt. An deinen In-Ring Fähigkeiten kann es nicht gelegen haben, denn die waren wirklich gut.
Ahmed: Vielen Dank für die freundlichen Worte. Tatsächlich habe ich als Wrestler in über 24 Ländern gekämpft und stand mit den Besten der Welt im Ring, von Daniel Bryan und Claudio Castagnoli bis zu meinem Helden Mitsuharu Misawa. Es war immer mein Ziel, nach Japan zu All-Japan oder später zu NOAH zu gelangen. Die WWE stand ebenfalls auf meiner Liste. Mit NOAH hatte ich wiederholt Gespräche, und 2 Cold Scorpio war mein Befürworter. Bei der WWE wurde ich sogar zu einem spontanen Tryout in New York eingeladen, als ich gerade in den USA war. Leider scheiterte dies vor Ort aus zeitlichen Gründen. Warum der große Sprung nie gelungen ist, ist schwer zu sagen. Verschiedene Faktoren spielten eine Rolle, aber der entscheidende war wohl, dass ich Berlin nie verlassen wollte. Diese Stadt ist meine Heimat, hier habe ich alles, was ich brauche. Was sollte ich in den USA ohne meine Brüder, meine Schwester und meine Eltern? Innerlich gab es immer diesen Konflikt, der letztlich dazu führte, dass es nie klappen sollte. Ich hatte mir zwar ein Angebot gewünscht, aber wahrscheinlich mehr für mein Ego als für meine Karriere.
PW: Was soll ich dazu sagen, sehr schade halt, dass es am Ende nicht geklappt hat. Warum auch immer. Aber mal weiter. Im Jahr 2021 hattest du dein bislang letztes Match bestritten. Wird da nochmal ein Match hinzukommen, oder hast du mit deiner In-Ring Karriere abgeschlossen. Du bist ja mittlerweile auch bereits Mitte 40.
Ahmed: Tatsächlich habe ich dort mein letztes Match bestritten. Ich wollte daraus keine große Sache machen, deshalb habe ich es nur Doug Williams und meinem Bruder am selben Tag erzählt, sonst niemandem. Körperlich bin ich derzeit in Topform und fühle mich sehr stark, doch der Ring wird mich nicht mehr sehen. Ich habe nach wie vor großen Spaß an den Stunts, werde jedoch auch in diesem Bereich künftig kürzertreten, da ich meinen Fokus auf die Arbeit hinter der Kamera legen möchte.
PW: Dann können wir da auch einen Haken dran machen. Aber mit dem Wrestling wirst du wohl nie ganz aufhören. Wie ist es also, eine erfolgreiche Promotion zu leiten? Was sind deine Aufgaben als Owner, und wie viel Zeit steckst du täglich bzw. wöchentlich in dein Projekt – die GWF?
Ahmed: Ich widme fünf Tage in der Woche der GWF und habe dabei meinen eigenen Workflow entwickelt: Zuerst kümmere ich mich um die GWF, dann um Filmprojekte und schließlich um neue, spannende Vorhaben. So strukturiere ich meine Arbeitstage. Die GWF ist für mich ein Lebensprojekt, während der Film meine Zukunft darstellt. Zusätzlich arbeite ich immer gerne parallel an neuen Projekten, die ich interessant finde.

PW: Bleiben wir mal beim Wrestling. Du hast Topleute wie Axel Tischer oder aber auch Metehan trainiert. Beide waren in der WWE. Es gab auch immer wieder andere Leute von der GWF, die auf dem WWE-Radar waren, z.B. Erkan Sulcani oder Pascal Spalter, die beide bei einem WWE Tryout waren. Du kannst mächtig stolz auf eure Arbeit sein. Wer könnte der nächste bei der GWF sein, den du solch einen Sprung zutrauen würdest?
Ahmed: Du hast tatsächlich Wesna und Blue Nikita in der Liste vergessen. Ja, wir sind wirklich sehr stolz auf unsere Arbeit und setzen alles daran, weiterhin neue Talente zu fördern. Aytac Baha und Toni Harting sind natürlich Namen, die man mittlerweile kennen sollte. Den nächsten großen Sprung traue ich aktuell Tim Stübing zu. Zwar ist er kein Berliner und im klassischen Sinne kein GWFler, aber ich begleite Tim schon seit einigen Jahren und sehe ihn genauso wie alle anderen meiner Jungs und Mädels. Aus Berlin sollte man zudem Big Nik und Loky im Auge behalten. Wenn beide so weitermachen, sehe ich für sie eine vielversprechende Zukunft.
PW: Tim Stübing halte ich auch für ein vielversprechendes Talent, Big Nik hatte ich bereits auch Live bei FIGHTBACK gesehen, und auch bei euren Live-Events auf YouTube, und für seine Masse ist er schon ganz gut. Wie oft ist denn eure Trainingsschule in der Woche geöffnet, und wer leitet das Training noch außer dir und deinem Bruder Mike?
Ahmed: Wir trainieren derzeit zweimal pro Woche, und das Training wird aktuell wieder von Mike und mir geleitet. Eine Zeit lang hatten wir Orlando Silver als zusätzlichen Trainer an Bord. Orlando ist ein hervorragender Trainer und ein großartiger Mensch! Er hat um eine Auszeit gebeten, und das kam zu einem Zeitpunkt, an dem Mike und ich gerade beschlossen hatten, wieder mehr selbst in die Hand zu nehmen. Seitdem sind wir wieder zu zweit für das Training verantwortlich.
PW: Wie sieht es ansonsten bei euch in der Wrestlingschule aus? Wie viele neue Schüler bekommt ihr im Schnitt in einem Jahr hinzu, und wie viele halten es dabei durch, um auch wirklich irgendwann mal in eurem Ring zu steigen?
Ahmed: Über die Jahre sind mehrere hundert Leute zu uns gekommen. Man darf nicht vergessen, dass wir keinerlei Werbung für die Schule machen, da wir regelmäßig an den Grenzen unserer Kapazitäten arbeiten. In der Regel haben wir jedoch zwischen 40 und 50 Mitglieder gleichzeitig. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Nur wenige halten durch, denn Wrestling ist in gewisser Weise undankbar. Man trainiert intensiv, gibt Geld aus, versucht, Fortschritte zu machen, und nach mindestens einem Jahr hat man sein erstes Match – nur um festzustellen, dass man bei Weitem nicht so gut ist, wie man dachte. An diesem Punkt geben viele auf und die meisten sogar noch davor.
PW: Dies hört sich für Interessierte nicht gerade rosig an. Aber Wrestling ist nun mal ein hartes Business, besonders in den Indy-Ligen. Erst kürzlich hatte ich auf Social Media die Deutschen Topligen aufgelistet. Dabei hatte ich in meinem persönlichen Ranking die GWF zum ersten Mal vor der wXw auf Rang 1 gelistet. Wie ist deine Meinung dazu, trifft es zu, und erkläre gerne mal, warum du es auch so siehst.
Ahmed: Ehrlich gesagt, triffst du mit der Liste den Nagel auf den Kopf. Wenn ich GWF und wXw ganz objektiv betrachte, dann bietet eine GWF-Show für mich pures Entertainment. Ich habe das Gefühl, dass jede Show etwas Einzigartiges zu bieten hat, von der Action bis hin zu den Wrestlern und ihren Charakteren. Versteht mich nicht falsch, ich habe großen Respekt vor dem, was wXw leistet! Aber persönlich finde ich deren Shows nicht so unterhaltsam, da ich das Gefühl habe, dass sich die Matches und Charaktere zu sehr ähneln. Außerdem bin ich davon überzeugt das wir den besseren Kader haben. Unsere im Ring-Qualität ist aktuell auf dem höchsten Niveau.
PW: Bei mir ist es tatsächlich so, dass wXw halt auch viel Starpower mit WALTER, Axel Dieter Jr., Ilja Dragunov, Oliver Carter, Da Mack, „Bad Bones“ John Klinger, Marius AL-Ani etc. in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen verloren haben. Aber mal weiter mit der GWF. Eure Events finden ja bekanntlich jeden Monat in Berlin statt. Habt ihr nicht mal vor, irgendwann auch mal in eine andere Stadt zu touren, bzw. gibt es für die Zukunft Pläne, dies zu tun?
Ahmed: Ja und nein. Das Thema kommt immer wieder auf. Ich denke, mit unserem Live-Stream bieten wir bereits ganz Deutschland die Möglichkeit, unsere Shows zu verfolgen. Aktuell arbeiten wir an einer „Erweiterung“ dieses Angebots, aber dazu dann bald mehr. Um deine Frage konkret zu beantworten: vielleicht.
PW: Zum Schluss kannst du unseren Lesern gerne mal erläutern, warum es sich lohnt, einen Event der GWF zu besuchen.
Ahmed: Ein Besuch bei einem GWF-Event lohnt sich, weil die GWF Live-Action und Entertainment in einer Form bietet, die man sonst nirgendwo erlebt. Die GWF profitiert stets von unserer jahrzehntelangen Erfahrung und stetigen Weiterentwicklung im Entertainment-Bereich.
PW: Dann war es das auch schon. Ich wünsche der GWF und dir auch weiterhin viel Erfolg.
Das Interview führte Martin Mahony
Fotos: GWF (c)
Das Interview erschien in der PW-Ausgabe Dezember 2023





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